Erkundung des Untergrundes
Über den Schweizer Untergrund ist im Gegensatz zu anderen Ländern wenig bekannt. Das hat verschiedene Gründe. So wurde in der Vergangenheit selten nach möglichen Vorkommen von Kohle, Erdöl und Erdgas gebohrt. Vereinzelte Beispiele von solchen Bohrungen gibt es jedoch, so auch wenige Kilometer südlich von Magglingen im Seeland. Eine 2'425 Meter tiefe Bohrung in Hermrigen wies vor fast 40 Jahren zwar kein Erdöl oder Erdgas nach, jedoch warmes Wasser, das für die Produktion von Wärmeenergie verwendet werden kann.
Der Jurasüdfuss bietet hervorragende Bedingungen für die Erdwärme.
Auch die Thermalbäder in Yverdon-les-Bains, Bad Lostorf, Schinznach-Bad und die Tunnelbohrungen für den Grenchenbergtunnel und den Hauensteinbasistunnel weisen auf ein generell grosses Wasservorkommen in bestimmten geologischen Schichten am Jurasüdfuss hin. Das liegt auch am für die Region typischen Kalkgestein, welches dank seiner porösen Eigenschaften generell einen guten Wasserdurchfluss ermöglicht – eine unabdingbare Voraussetzung für die Nutzung des Tiefenwassers.
Ein erstes geologisches Modell zeigt unterhalb von Magglingen mehrere Gesteinsschichten zwischen 1'500 und 2'000 Metern Tiefe, da hier mehrere Schichten aufeinandertreffen. Das Vorhandensein und die genaue Lage des vermuteten Wärmereservoirs können aber erst durch eine breite Untersuchung des Untergrunds bestätigt werden.
Den Boden «röntgen»
Der Ablauf der Messungen. Zunächst werden bei den Grundeigentümern die Bewilligungen für die Platzierung der Messgeräte oder für die Vibration auf Privatstrassen eingeholt. Diese Phase dauert rund drei Monate. Danach werden kurz vor Start der Messungen innert weniger Tage die Messgeräte ausgelegt. Die eigentlichen Messungen im gesamten Untersuchungsgebiet dauern drei bis vier Wochen. Eine einzelne Gemeinde ist in der Regel zwischen einem und drei Tagen betroffen und eine einzelne Liegenschaft wenige Minuten. Nach Abschluss der Messungen werden die Messgeräte wieder eingesammelt.
Von Orvin im Norden bis nach Kappelen im Süden
In den letzten Jahren sind solche Untersuchungen für Erdwärmeprojekte zum Beispiel in den Kantonen Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Genf, Waadt und Wallis erfolgreich durchgeführt worden. Für den Kanton Bern ist es die erste Untersuchung dieser Grössenordnung für ein Erdwärmeprojekt. Neben der Standortgemeinde Leubringen/Magglingen sind im Frühling 2023 auch Teile der Städte Biel/Bienne und Nidau sowie der Gemeinden Bellmund, Bühl b. Aarberg, Hermrigen, Ipsach, Kappelen, Orvin, Plateau de Diesse, Port, Sutz-Lattrigen und Twann-Tüscherz betroffen. Das untersuchte Gebiet umfasst eine Fläche von gut 30 Quadratkilometern an Land sowie 4 Quadratkilometern auf dem Bielersee.
Im gesamten Gebiet werden etwa 2'700 Messgeräte – sogenannte Geophone – ausgelegt. Zum Einsatz gelangen drei Vibrofahrzeuge, davon ein leichteres für Messungen in besiedelten Gebieten. Sie erzeugen Wellen an mehr als 3'000 Messpunkten. Grösstenteils erfolgen die Messungen in der Nacht auf Landstrassen, Feld- und Waldwegen. Ein geringer Teil der Messungen betrifft bewohnte Gebiete. Pro Messpunkt werden drei bis vier Vibrationen ausgelöst. Eine einzelne Vibration dauert etwa 30 Sekunden, ist hörbar und wird in einem engen Umkreis von rund 50 Metern spürbar als Vibration wahrgenommen. Die Vibrationen stellen weder für Mensch, Tier noch Umwelt eine grössere Belastung dar. In bewohnten Gebieten werden die Messungen in der Regel zwischen 20 und 22 Uhr durchgeführt.
Ein Vibrofahrzeug in Aktion (Quelle: GEothermies)
Eines von Tausenden von Messgeräten, sogenannten «Geophonen», die während der Untergrund-Untersuchung zum Einsatz kommen.
Ausserorts vor allem spätabends und in der Nacht auf Landstrassen, Feld- und Wagen im Einsatz: die Vibrofahrzeuge. Hier waren die Fahrzeuge 2021 im Kanton Waadt unterwegs (Quelle: Hydro-Géo Environnement).
Zwischen den Rädern des Vibrofahrzeuges ist die Platte zu sehen. An den Messpunkten wird diese abgesenkt und der Boden während maximal 30 Sekunden vibriert (Quelle: Hydro-Géo Environnement).
Messungen auf dem Bielersee
Bohrungen nicht vor 2026
Letztlich schafft nur eine erste Bohrung endgültig Klarheit, ob in der angepeilten Tiefe genügend warmes Wasser für die Nutzung vorhanden ist. Es beginnen die konkreten Arbeiten: Ein Bohrplatz wird eingerichtet und für die erste Explorationsbohrung vorbereitet. Die Bohrungen werden auf dem Platz vor dem Werkhof durchgeführt, wo später die Wärmezentrale aufgebaut werden wird.
Die Vorarbeiten und die effektive Bohrung dauern mehrere Monate und werden nicht vor 2026 durchgeführt. Ist das anvisierte Bohrziel erreicht, liegen erstmals effektive Messwerte wie Temperatur und Durchflussrate des Wassers vor. Bestätigen diese das Nutzungspotenzial, kann das Erdwärmeprojekt bis zur planmässigen Inbetriebnahme umgesetzt werden. Hingegen muss das Erdwärmeprojekt abgebrochen werden, wenn die geologischen Untersuchungen oder die erste Bohrung nicht die gewünschten Resultate nachweisen.
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